KI im Recruiting - Fluch und Segen zugleich?

KI im Recruiting - Fluch und Segen zu gleich?

Wer im “War for Talents” Schritt halten möchte, ist auf die Optimierung und Digitalisierung des Bewerbungsprozesses angewiesen. Die vielfältigen Möglichkeiten schließen dabei auch den Einsatz künstlicher Intelligenz nicht aus. Eine Vollautomatisierung des Recruiting-Prozesses ist bereits möglich, findet sich in der Praxis jedoch noch selten. Trotz der Vorteile scheut sich manch ein Recruiter vor dem Einsatz der neuen Instrumente – zu Recht?

Patricia Päßler und Anne Geiter • 14.05.2020

Die durchschnittliche Vakanzzeit einer offenen Position steigt kontinuierlich – zuletzt im vergangenen Jahr auf 130 Tage. Dem Mittelstandsbarometer EYs zufolge, entgeht einem Unternehmen jährlich ein Umsatz von 50 Milliarden Euro durch fehlendes Personal. Ein Blick auf die Zahlen macht somit deutlich: Möchte man die Time-to-hire senken, müssen Unternehmen reagieren und neue Wege einschlagen. Hier bietet es sich an, auf digitale Lösungen zurückzugreifen.

Die Auswahl der Tools zur Digitalisierung des Recruiting-Prozesses ist vielfältig. Einige finden in Unternehmen bereits selbstverständlich Anwendung. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz – kurz KI – befindet sich gerade in den Startlöchern. Dies zeigen auch die Umfrageergebnisse des Bundesverbands der Personalmanager. 20 % der befragten Unternehmen nutzen KI derzeit in ihrem Recruiting-Prozess und 74% befassen sich bereits mit dessen Anwendung im Personalbereich. Eingesetzt werden kann die künstliche Intelligenz beispielsweise bei der Auswertung von Lebensläufen. So übernehmen People Analytics Programme die Sichtung der Bewerberunterlagen und treffen eine automatisierte Vorauswahl auf Basis von Bewerberdaten sowie im Vorfeld festgelegten Jobanforderungen. Mithilfe von Robotic Process Automation (RPA) kann das Erstinterview nicht mehr persönlich, sondern über ein automatisiertes Videointerview erfolgen.

Der Nutzen entsteht vor allem im Hinblick auf die Zeitersparnis der Recruiter, die ihre verfügbaren Kapazitäten anderweitig, beispielsweise für die Vorbereitung des persönlichen Interviews, einsetzen können.

Für das Recruiting bedeutet das vor allem eins: eine Beschleunigung des Auswahlprozesses.

Auch der Bewerber kann sich über ein schnelles Bewerbungsverfahren freuen. Mittelfristig führt der Einsatz von KI außerdem zur Reduktion der Personalkosten.

Dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz auch einige Gefahren mit sich bringt, zeigen Beispiele aus der Vergangenheit. So wurden 2014 bei Amazon durch einen KI-Recruiting-Bot vor allem Männer als potentiell geeignete Bewerber identifiziert, da zeitgleich im Unternehmen wenig Frauen in Tech-Berufen arbeiteten. In einem US-Unternehmen fand ein KI-Bot heraus, dass Arbeitnehmer, die weiter entfernt vom Unternehmen arbeiten, häufiger kündigen. Der Bot wählte somit lediglich Kandidaten mit nahe gelegenem Wohnort aus. Dadurch wurden ethnische Minderheiten, die in Randbezirken lebten, ausgeschlossen. Neben der Gefahr der Diskriminierung gibt es auch datenschutzrechtlich einige Risiken zu beachten.

Zudem stellt sich die Frage, ob und inwieweit man die Entscheidungsmacht einer KI – also einer Maschine – überträgt, die nur bedingt soziale Fähigkeiten messen kann.

Der Einsatz ist vor allem aus ethischer Sicht äußerst bedenklich.

Die Beispiele zeigen wie wichtig es ist die Daten, die verarbeitet werden, streng zu kontrollieren. Die KI sollte sich frei von Vorurteilen entwickeln können. Eine weitere Voraussetzung für die Nutzung stellt eine ausreichend große und qualitativ hochwertige Datenmenge dar.

Hat man die Risiken künstlicher Intelligenz im Blick und beugt entsprechend vor, bietet ihr Einsatz eine große Chance zur Optimierung des Recruiting-Prozesses. Auch die meisten Recruiter gehen bereits davon aus, dass sich KI in ihrem Berufsfeld etablieren wird. Dies zeigt eine Studie des Recruiting-Softwareherstellers Viasto. Themen wie Fachkräftemangel oder lange Vakanzzeiten können mit Hilfe von KI im Unternehmen angegangen und verbessert werden – vorausgesetzt die menschliche Intelligenz hinter den Systemen ist ausreichend geschult und weiß ihre Tools richtig einzusetzen.

Wenn Sie mehr über Digitalisierung im HR Bereich erfahren wollen oder konkrete Beratung suchen, kontaktieren Sie uns gern: betterhr.de

Photo Credit: by Katarzyna Pe on Unsplash