Ein Jahrzehnt Chatbots - eine Bilanz
Nach den anfänglich hohen Erwartungen an Chatbots stellt sich die Frage, ob die neue Technologie diesen gerecht werden konnte. Wo starteten sie und was hat sich in dem Bereich seither getan?
Matthes Bärwinkel • 17.11.2021
Als der Microsoft CEO Satya Nadella 2016 Chatbots als „the next big thing“ ankündigte, herrschte im Bereich Conversational Intelligence Aufbruchstimmung. Die natürlichsprachliche Kommunikation zwischen NutzerInnen und Computer verhieß im Zusammenspiel mit den Fortschritten der künstlichen Intelligenz laut Nadella einen „technologischen Umbruch“. Damit waren enorme Erwartungen an die Potentiale von Chatbots geweckt: mit ihnen sollte die Mensch-Maschine-Interaktion auf ein grundlegend neues Niveau gehoben werden.
Chatbots sollten die Mensch-Maschine-Interaktion auf ein neues Level heben
Folgt man neueren Studienergebnissen zur Zufriedenheit der NutzerInnen mit Chatbots, sind die Ergebnisse 5 Jahre später jedoch enttäuschend. Laut einer aktuellen Studie geben auf die Frage, was ihnen am Chatbot gut gefallen hat, gerade einmal 8 % der Befragten die Kompetenz oder Qualität des Bots und nur 6 % die klaren Antworten als zufriedenstellend an. Knapp die Hälfte bemängelt eine schlechte Antwortqualität.
Warum ist das so? Entwicklung in den mittleren 2010ern
Mitte der 2010er Jahre strömte eine Vielzahl an Chatbot-Unternehmen auf den Markt. Der Weg wurde ihnen vor allem durch den Siegeszug der Messengerdienste geebnet. Durch sie wurden Chatplattformen zu einem täglich genutzten Kommunikationsmittel. Indem Messengerdienste wie Facebook oder Whatsapp eigene Plattformen für die Integration von Chatbots bereitstellten, erhöhte sich die Zugänglichkeit der Chatbots sowohl für die Unternehmen wie für die KundInnen stark. Auf dem Facebook-Messenger waren bereits zwei Jahre nach dem Start der Bot-Plattform 300.000 Chatbots aktiv. Einen nicht unwesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hatten kleinere Unternehmen, für die ein eigener Internetauftritt und das Thema E-Commerce rasant an Bedeutung gewannen.
Viele Chatbots unterschieden sich nicht von grafischen Benutzeroberflächen
Fragt man nach den Gründen für die Unzufriedenheit mit dieser Generation von Chatbots, sticht ein Punkt heraus: Es dauerte einige Zeit, bis es bei der Chatbot-Entwicklung gelang, die Eigenheiten der Technologie zu verstehen und optimal zu nutzen. Viele Anbieter waren sich nicht klar darüber, welche Features Chatbots von anderen Kommunikationsformen und Interfaces unterscheiden. Ein Beispiel hierfür ist der Spring Bot von 2016, der als E-Commerce-Bot für die Produktsuche schlicht keine Freitexteingabe zuließ und sich somit auch nicht von herkömmlichen grafischen Benutzeroberflächen unterschied.
Die erste Chatbot-Generation war größtenteils nicht KI-, sonder regelbasiert. Das bedeutet, der Chatbot antwortet dem Nutzer nach bestimmten vordefinierter Regeln und Schlüsselwörtern. So entsteht ein klar definierter Funktionsbereich, in dem der Chatbot gut arbeitet. Wie zufrieden die NutzerInnen dann mit der Kommunikation sind, hängt jedoch maßgeblich davon ab, ob ihnen zuvor deutlich gemacht wird, welchen Funktionsumfang der Chatbot überhaupt besitzt. Wo das versäumt wurde, stellten sich bei der Anwendung aufgrund falscher Erwartungen an den Chatbot schnell Frustrationen ein.
Ein nicht klar kommunizierter Funktionsumfang führte zu Frustration bei den NutzerInnen
Weil kein aufwendiges Training des KI-Modells erforderlich ist, sind regelbasierte Chatbots relativ schnell einsatzbereit. Allerdings erfordert jede Steigerung ihrer Komplexität und jede Erweiterung der kommunikativen Funktionen deutlich mehr Aufwand bei der Entwicklung der dahinterliegenden Erkennungsstruktur. Dies wurde bei der Planung oftmals deutlich unterschätzt, was zu unausgereiften Chatbotmodellen führte.
Was hat sich bis heute geändert?
Die beschriebenen typischen Fehler und Mängel von Chatbots führten zu den eingangs erwähnten, eher zurückhaltenden Reaktionen. Es waren die Kinderkrankheiten der Chatbotentwicklung. Sie erklären sich zum Teil aus der technologische Basis der regelbasierten Erkennung. Darüber hinaus sind aber vor allem fehlenden Erfahrungen mit Best Practices hinsichtlich der Einsatzbereiche und des Dialog-Designs von Chatbots ausschlaggebend dafür gewesen, dass die anfänglichen Erwartungen an die Technologie nicht erfüllt werden konnten. Mittlerweile gibt es im Bereich künstliche Intelligenz enorme Fortschritte, die den Potentialen von Chatbots einen neuen Schub verleihen. Durch den Wechsel von regelbasierter zu KI-basierter Erkennung oder durch die Kombination beider Methoden wird die Verarbeitung der Nutzereingaben um ein Vielfaches genauer. Durch künstliche Intelligenz können nun auch Rechtschreibfehler und alternative Formulierungen vom Chatbot verstanden werden. Zudem sind KI-basierte Chatbots lernfähig, wodurch sich die Erkennungswahrscheinlichkeit kontinuierlich verbessert.
Die umfassende Forschung auf dem Gebiet der Mensch-Maschine-Interaktion bildet einen weiteren Faktor. Die Nutzungswahrscheinlichkeit eines Chatbots hängt nicht nur davon ab, dass der Bot funktional ist, sondern auch davon, wie gut er den Nutzer auf der affektiven Ebene anspricht. Das versteht man mittlerweile besser und kann diesen Anforderungen durch die Eigenschaften neuerer Chatbotmodelle auch besser gerecht werden. Hierzu trägt die höhere Antwortquote durch KI genauso bei wie die gesammelten Erfahrungen hinsichtlich eines optimalen Dialogdesigns. So müssen die Ausgaben des Bots ausführlich genug, aber auch nicht zu komplex sein; der Nutzer muss deutlich erkennen können, für welche Funktionen der Bot überhaupt ausgelegt ist und welche impliziten Grundannahmen seinen Antworten zugrunde liegen; und nicht zuletzt muss der richtige „Tonfall“ für jeden spezifischen Anwendungsfall gefunden werden.
Haben Chatbots eine zweite Chance verdient?
Chatbots erlebten in den 2010er Jahren eine Boomphase. Diese war von einer inflationären Ausbreitung der Technologie im Servicebereich gekennzeichnet. Dass viele der eingesetzten Chatbots nur mit einer wenig zufriedenstellenden User Experience einhergingen, hatte zahlreiche Gründe.
Die Entwicklungen im Feld der künstlichen Intelligenz sowie ein besseres Verständnis für die Besonderheiten der Technologie und die Bedürfnis der NutzerInnen bei der Kommunikation mit einem Chatbot führen dazu, dass man es heute mit einer neuen Generation von Chatbots zu tun hat. Daher ist man mit den neuesten Chatbots auch in der Lage, den ursprünglich mit der Technik verbundenen Erwartungen ein großes Stück näher zu kommen. Man wird also noch einiges hören, von den digitalen kleinen Helferlein.
Sie interessieren sich für die Einsatzmöglichkeiten und die neuesten technologischen Entwicklungen von Chatbots? Dann kommen Sie auf uns zu. Wir vereinbaren gern einen Termin für eine Demo mit Ihnen.
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